Muskelerkrankungen – mit Dr. Anne Güttsches

Jun 26, 2023 | Podcasts, Transkripte

Folge #164 im Klinisch Relevant Podcast, Erstveröffentlichung im Setpember 2021 

Zusammenfassung

Dr. Anne Güttsches ist ausgewiesene Muskelexpertin in der Muskelsprechstunde des Bergmannsheil in Bochum. Über ihren Klinkalltag hat sie mit Kai gesprochen und außerdem einen kleinen Überblick über Muskelerkankungen gegeben, denn nicht alle Muskelerkrankungen sind gleich zu behandeln und sofort zu erkennen.

Generell einteilen kann man das große Feld der Muskelerkrankungen in entzündliche Muskelerkrankungen, die eher medikamentös behandelt werden, und ererbte Muskelerkrankungen, welche überwiegend mit Physiotherapie behandelt werden. Und obwohl Muskelerkankungen sehr selten sind und sich somit im Klinkalltag selten wiederholen, gibts es eine Top 3, die am häufigsten auftreten: FSHD, DM1 und DM2.

Anne gibt im Verlauf des Interviews Tipps zur Erkennung von Muskelerkrankungen und klärt darüber auf, wann eine Muskelbiopsie Sinn macht und ob diese von der Gendiagnostik abgelöst werden kann. Denn auch in diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren vieles weiter entwickelt, so dass durch festgestellte genetische Veränderungen oft auch Muskelerkrankungen festgestellt werden können.

Transkript des Interviews

Einleitung

Hallo und herzlich willkommen zum Klinisch Relevant Podcast, dem Fortbildungspodcast für alle, die im Bereich der Medizin beruflich tätig sind. Wir begrüßen dich ganz herzlich zu dieser Folge und freuen uns sehr, dass du heute eingeschaltet hast. Und nochmal ganz kurz: Falls du Klinisch Relevant als Fortbildungsplattform noch nicht kennen solltest, laden wir dich ganz herzlich ein, weiterhin unseren Podcast zu hören, bzw. dich auf www.Klinisch-relevant.de einmal umzuschauen. Wir bieten dir zweimal in der Woche neue Fortbildungsinhalte völlig kostenlos an. Und das Besondere an uns ist, dass wir selbst alle Teil der sogenannten Zielgruppe sind. Da wir also alle selber in medizinischen Fachberufen tätig sind, haben wir unsere Beiträge natürlich pharmafrei und völlig unabhängig für dich aufbereitet. Du kannst uns überall da anhören, wo es Podcasts gibt und natürlich auch auf unserer Internetseite unter www.klinisch-relevant.de. Hier findest du nicht nur tiefergehende Informationen zu unserem Projekt, sondern auch den Zugang zu unserer Online Fortbildungsakademie, auf der du weitergehende Audio-und Videofortbildungen buchen kannst. Und bevor wir in den heutigen Beitrag einsteigen, noch der allgemeine Hinweis, dass das Ganze ausdrücklich nicht nur an Ärzte gerichtet ist, sondern an alle, die mit den Bereichen Physiotherapie, Pflegeberufe, Ergotherapie und Logopädie zu tun haben. So, und nun wünschen wir dir ganz viel Spaß und viele Erkenntnisse beim Zuhören.

Kai Gruhn

Hallo, hier ist Kai aus dem Klinisch Relevant Team. Schön, dass du eingeschaltet hast. Du hörst heute einen Podcast mit. Dr. Anne Güttsches. Anne arbeitet in der Muskelsprechstunde im Bergmannsheil in Bochum und ist ausgewiesene Muskelexpertin. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass das Feld der Muskelerkrankungen sehr unübersichtlich ist und gleichzeitig ist das Problem, dass die Muskelerkrankungen selten sind. Das heißt, man hat wenig Wiederholungen, um das Ganze fest abzuspeichern. Anne erzählt in der heutigen Podcastfolge ein bisschen aus ihrem Alltag in der Muskelsprechstunde und gibt eine gute Gliederung, wie man in der Klinik vorgehen kann. Das Podcastinterview haben wir schon vor ein paar Jahren aufgenommen und haben es immer so ein bisschen zurückgehalten. Aber wir haben mehrfach Nachfragen erhalten zu diesem Thema und deswegen hörst du heute dieses Podcastinterview. Ich bin mir sicher, dass du davon profitieren wirst. Also viel Spaß damit. Und bevor es los geht mit dem Podcast nochmal ganz kurz: am 11.09. wird ein Sprachkurs zu medizinischem Englisch stattfinden, online und live. Dazu findest du auf unserer Internetseite und in den Shownotes die entsprechenden Links. Am 16.09. wird die nächste Live Online Fortbildung mit Privatdozent Dr. Charly Gaul stattfinden zum Thema Kopfschmerzen. Da sind alle herzlich eingeladen, die beruflich mit Kopfschmerzen zu tun haben. Und am 17.09. um 17:00 Uhr findet unsere erste Live Online Fortbildung aus dem Bereich der Ergotherapie statt. Da geht es um die ganzheitliche Narbenbehandlung. Seid dabei, eure Tickets könnt ihr wie gesagt in den Shownotes bzw. auf unserer Internetseite buchen. Und jetzt viel Spaß mit dem Podcast mit Anne Güttsches. Anne, vielen Dank, dass du dir heute Zeit genommen hast für dieses Interview. Das Feld der Muskelerkrankung ist ja sehr groß und deshalb auch für viele Kollegen, die sich jetzt nicht unbedingt jeden Tag damit auseinandersetzen, einfach sehr überfordernd. Gibt es für dich eine sinnvolle Gliederung der Muskelerkrankungen, die das ein bisschen einfacher macht? Vielleicht so etwas wie Schubladen, in die man die Patienten einsortieren kann?

Anne Güttsches

Man kann die Muskelerkrankung im Prinzip schon einteilen. Wie du schon gesagt hast, sind es sehr viele verschiedene Erkrankungen. Alle für sich gesehen sind selten und da ist es manchmal etwas schwierig, den Überblick zu behalten. Ich denke, generell kann man erstmal gerade bei den Erwachsenen zwei große Gruppen unterscheiden. Das sind einmal entzündliche Muskelerkrankungen im Sinne von autoimmunen Muskelerkrankungen und ererbten Veränderungen, also letztendlich erblichen Muskelkrankheiten. Das ist vor allen Dingen natürlich auch therapeutisch wichtig, weil man bei einer entzündlichen Muskelerkrankung letztendlich immer Autoimmunphänomene hat, ganz ähnlich den Phänomenen, die man auch beim Rheuma findet. Diese Autoimmunphänomene sind auch therapeutisch relevant und können medikamentös behandelt werden. Das ist bei den erblichen Muskelerkrankungen meistens nicht der Fall. Also da ist es eher so, dass der Physiotherapie die wichtigste Bedeutung zukommt. Allerdings gibt es da jetzt auch schon neuere Therapieansätze, die sehr speziell sind. Aber das wäre erst mal so die grobe Einteilung, also entzündliche oder ererbte Muskelkrankheiten.

Kai Gruhn

Was sind denn so die häufigsten Muskelerkrankungen, die du jeden Tag siehst?

Anne Güttsches

Ja, das ist ein bisschen schwierig zusammenzufassen, denn letztendlich sind Muskelerkrankungen recht vielgestaltig. Generell kann man aber sagen, es gibt zwei oder drei Muskelkrankheiten, die in Deutschland statistisch gesehen noch am häufigsten vorkommen und wahrscheinlich auch dem einen oder anderen Neurologen oder Hausarzt mal in der Praxis begegnen. Das ist zum einen die sogenannte FSHD-Erkrankung, also die Fazio-skapulo-humerale Muskeldystrophie. Und zum anderen die myotone Dystrophie, also abgekürzt die DM1. Und das kann man dann noch durch die schwächere Form ergänzen, die DM2, also die proximale myotone Myopathie. Das sind so die drei häufigsten: Die FSHD; die DM1 oder monotone Dystrophie; und die DM2, die schwächere Form der myotonen Dystrophie.

Kai Gruhn

Kannst du für diese drei häufigen der seltenen Muskelerkrankungen vielleicht ein paar Kardinalsymptome nennen, die einen an diese Krankheiten denken lassen, wenn man so etwas im Alltag sieht?

Anne Güttsches

Ja, also vor allen Dingen bei der FSHD ist es eigentlich so wie der Name „Fazio-skapulo-humorale Muskeldystrophie“ schon sagt. Das heißt, ich habe eine faziale Beteiligung, die Patienten haben also häufig eine relativ ausdruckslose Mimik. Das fällt dem einen oder anderen schon auf. Meistens sind es aber die Angehörigen, die dann z.B. sagen „Mensch, mein Mann hat immer so einen Schlafzimmerblick“ oder „den Schlafzimmerblick hatte er schon immer, aber jetzt werden auch die Arme schwächer“. Das ist nämlich der zweite Punkt, dass die Patienten oft eine ausgeprägte Schwäche in der Schultermuskulatur haben. Also sind am häufigsten die Gesichtsmuskulatur und die Schultermuskulatur beteiligt. Leider ist es bei der FSHD so, dass es auch häufig darüber hinausgeht, sodass auch die Beine betroffen sind. Aber letztendlich ist gerade diese typische Beteiligung der Gesichtsmuskulatur, also die Fazies Myopathica, ein typisches Kennzeichen für die FSHD. Das merkt man zum Beispiel auch daran, dass die Patienten berichten, sie können nicht mehr pfeifen, was sie früher aber konnten. Das ist übrigens auch etwas, was bei der monotonen Dystrophie ganz häufig ist, auch diese Patienten haben eine Mitbeteiligung der Gesichtsmuskulatur. Häufig äußert sich das in einer Ptosis, also hängenden Augenlidern. Und was bei diesen Patienten ganz häufig auftritt, ist eine sogenannte Myotonie. Das kann man auch ganz einfach prüfen, indem man den Patienten bittet, eine Faust zu machen und dann die Faust ganz schnell zu öffnen. Und bei den Patienten mit einer Myotonie wird man dann sehen, dass sie das eben nicht schnell können und entsprechend die Hand nur ganz langsam öffnen. Diese beiden, also die Gesichtsbeteiligung und die Beteiligung der Handmuskulatur, wären bei diesen beiden Erkrankungen häufig. Jetzt gibt es ja noch die dritte, die etwas leichtere, myotone Dystrophie. Bei der ist es ein bisschen schwieriger.

Kai Gruhn

Das ist die PROMM, richtig?

Anne Güttsches

Genau. Und wie der Name schon sagt, es ist eine proximalen Myopathie. Die Patienten haben häufig eher Beschwerden in den proximalen Muskelgruppen, im Sinne von Muskelschmerzen. Und dann haben sie auch noch eine CK-Wert Erhöhung. Ich glaube zum CK-Wert sagen wir auch gleich noch was. Der ist natürlich sehr wichtig und bei allen Muskelerkrankungen auch laborchemisch erhöht. Die proximale myotone Myopathie macht aber eher keine Gesichtsbeteiligung. Die Patienten haben eigentlich keine Beschwerden was das angeht, haben keine Myotonien, aber haben eben eher so eine proximale Schwäche. Und das ist letztendlich auch etwas, bei dem man auch bei Erwachsenen an eine Muskelerkrankung denken sollte. Ich habe also diese beiden häufigeren Muskelformen mit der Gesichtsbeteiligung. Aber bei allen anderen Muskelerkrankung, der PROMM, oder auch den selteneren  Muskelerkrankungen, ist es oft so, dass die Oberschenkelmuskeln und die Hüftstreckermuskulatur betroffen ist. Das sieht man typischerweise daran, dass der Patient nicht mehr vom Boden  aus der Hocke aufstehen kann. Was einem in der Muskelsprechstunde außerdem noch öfter begegnet, sind sogenannte Gliedergürteldystrophien. Das ist eine Gruppe von Erkrankungen und da gibt es auch ganz viele verschiedene Unterformen, aber es gibt so einige charakteristische Gemeinsamkeiten, die einen an eine primäre Muskelerkrankung denken lassen können. Das ist z.B. die Tatsache, dass die Patienten eben vorwiegend proximale Paresen der Muskulatur haben. Das heißt, die Hüftstreckung ist häufig betroffen, meistens auch die Kniestreckung und auch häufiger die Armmuskulatur, wobei die Beinmuskulatur meistens als erstes betroffen ist. Das kann man eigentlich ganz gut dadurch rausfinden, dass man die Patienten, ohne die Hände zu benutzen, von einem etwas niedrigeren Stuhl aufstehen lässt. Wenn die Patienten das nicht können, ist das ein erster Hinweis für eine proximale Parese der Beinmuskulatur. Ganz ähnlich ist es, wenn man einen Patienten vom Boden, also aus der Hocke, aufstehen lässt. Hier gibt es ein Zeichen, was eigentlich primär bei Kindern beschrieben wurde, aber was man auch bei Erwachsenen sieht. Das ist das sogenannte Gauß-Zeichen. Das heißt, der Patient kann nicht aus eigener Kraft aus der Hocke wieder hochkommen. Er muss sich stattdessen irgendwo festhalten oder an sich selber hochkrabbeln, also stützt sich an den Oberschenkeln ab und versucht dann irgendwie, sich aus der Hocke aufzurichten. Das sind eigentlich die zwei Dinge, die wir regulär bei den Patienten untersuchen. Und wenn ich dann noch einen erhöhten CK-Wert habe von z.B. 1000U/L, dann ist das eigentlich schon sehr wegweisend für eine Myopathie.

Kai Gruhn

Jetzt bist du ja hier in einem Muskelzentrum. Was sind denn so die diagnostischen Möglichkeiten, die du zur Verfügung hast?

Anne Güttsches

Das, was wir bei allen Muskelpatienten untersuchen und was bei den allermeisten Patienten auch auffällig ist, ist der Serum CK-Wert. Dieser Wert wird als Hinweis auf eine Schädigung der Muskulatur genutzt. Was wir dann noch machen, ist zum einen eine bildgebende Darstellung der Muskulatur. Meistens bleiben die Patienten zur Abklärung so 2-3 Tage stationär. Das heißt, wir machen ein MRT der Muskulatur der Beine und schauen uns insbesondere an, ob der Muskel fettig verändert ist oder ob es Ödeme in der Muskulatur gibt. Das gibt schonmal einen ersten Hinweis darauf, wie stark die Muskulatur geschädigt ist und ob es Entzündungszeichen gibt. Wir hatten ja am Anfang gesagt, es gibt entzündliche und erbliche Muskelerkrankungen. Da kann man aus der MRT-Diagnostik schonmal erste Hinweise bekommen.

Kai Gruhn

Du hast gesagt, es gibt fettige Veränderungen und ödematöse Veränderungen im Kernspinn. Was spricht jetzt für welche Erkrankungen?

Anne Güttsches

Ganz so einfach kann man das nicht auseinanderhalten. Was ganz typisch ist, ist das Verteilungsmuster. Also die Patienten haben zum Beispiel bei einer der häufigeren entzündlichen Muskelerkrankungen (entzündliche Muskelerkrankungen sind immer Autoimmunerkrankungen) typischerweise Ödeme im Quadrizeps, also auf der ventralen Seite der Muskulatur. Das bei der Einschlusskörpermyositis relativ typisch. Hingegen hat man bei hereditären Myopathien, vor Allem wenn Sie schon seit vielen Jahren anhalten und nicht sehr floride sind, eher fettige Veränderungen und wenig Ödem, aber eher auf der dorsalen Seite der Muskulatur. Es gibt auch sehr floride Muskelerkrankungen, wo man beides nebeneinander findet. Das leitet auch zum nächsten diagnostischen Schritt, nämlich der Muskelbiopsie. Die Muskelbiopsie wird tatsächlich auch immernoch gemacht, auch wenn die Bedeutung mit Sicherheit abnimmt. Aber gerade wenn ich sehr aktive Veränderungen habe, also sowohl Ödeme, als auch fettige Degeneration, ist es immer noch indiziert, eine Muskelbiopsie zu machen. Das ist lange nicht bei allen Patienten der Fall, aber gerade wenn die Patienten viele entzündliche Veränderungen haben, wollen wir ja wissen, ob es sich jetzt um eine erbliche Muskelerkrankung handelt, die gerade so richtig ausbricht, oder ob es eine entzündliche Muskelerkrankung ist, bei der man therapeutisch mit antiinflamatorischen Substanzen und Cortison tätig werden muss.

Kai Gruhn

Darf ich da ganz kurz zwischenfragen? Die Indikation für eine Muskelbiopsie muss man sich ja schon ziemlich genau überlegen. In welchen Situationen ist es tatsächlich gerechtfertigt, eine Muskelbiopsie zu machen? Kannst du da noch mal was aus deiner Erfahrung sagen?

Anne Güttsches

Ja, das ist genau richtig. Viele Patienten kommen auch so mit der Idee, man könnte ja einfach mal eine Muskelbiopsie machen und einfach mal so eine Stanze aus dem Muskel nehmen. Also so einfach ist es leider nicht. Denn man möchte ja letztendlich den Patienten nur dann biopsieren, wenn man sich von der Muskelbiopsie auch irgendeinen Erkenntnisgewinn erhofft. Das heißt, für die Indikation zur Biopsie sollte auf jeden Fall eine klinische Symptomatik vorliegen, zum Beispiel Paresen der proximalen Muskulatur. Dann sollten eigentlich auch immer MRT-Veränderungen vorliegen. Nur im Einzelfall biopsieren wir mal Patienten, wo keine MRT-Veränderungen da sind. Das muss man sich dann sehr genau überlegen, denn meistens findet man dann in der Muskelbiopsie auch nichts. Das heißt aber, wenn ich doch eine MRT-Veränderung habe, zum Beispiel Ödeme, dann möchte ich wissen, ob der Patienten eine Autoimmunerkrankung oder doch eine erbliche Muskelerkrankung hat. Und da kann die Muskelbiopsie helfen, entzündliche Veränderungen wie Zellinfiltrationen und Entzündungszeichen in der Muskulatur zu finden. Aber das ist der Grund, warum wir eben auch nicht jeden Patienten muskelbiopsieren. Wenn man vorher schon anhand der klinischen Symptomatik sagen kann, dass keine entzündliche Muskelerkrankung oder auch sonst keine Muskelerkrankung vorliegt, dann braucht man nicht unbedingt eine Muskelbiopsie.

Kai Gruhn

Also zusammenzufassend kann man sagen, dass man keine Muskelbiopsie machen würde, wenn man keine kernspintomographischen Auffälligkeiten hätte. Denn man hätte ja auch das Problem, dass man gar nicht weiß, welchen Muskeln man biopsieren  soll, oder?

Anne Güttsches

Ja, das kann man so sagen. Es gibt mal einzelne Ausnahmen, aber im Prinzip ist es so.

Kai Gruhn

Jetzt hattest du als diagnostische Schritte die Bildgebung genannt und natürlich die Analyse der Laborwerte, die die Patienten mitnehmen. Wie sieht es mit Elektrophysiologie aus? Welchen Stellenwert hat in einem Muskelzentrum auch insbesondere das EMG für dich?

Anne Güttsches

Das EMG ist vor allem für eine ganz bestimmte Gruppe von Muskelerkrankungen interessant, nämlich für die Myotonien. Da sind wir wieder bei einer der häufigeren Muskelerkrankungen, der myotonen Dystrophie. Also bei diesen Patienten gibt es typischerweise neben diesen typischen klinischen Auffälligkeiten auch einen typischen EMG Befund. Das heißt, da ist es doch nochmal wichtig, zur diagnostischen Sicherung ein EMG zu machen. Bei allen anderen Patienten machen wir hier aber auch ein EMG, denn es gibt immer wieder Patienten, die myopathische Veränderungen im EMG haben, vor allen Dingen bei einer floriden Myopathie. Aber das ist noch lange nicht bei allen Muskelpatienten der Fall. Ich hatte gestern noch einen Patienten, der klare myopathische Auffälligkeiten in der Untersuchung hatte und in der Kernspintomographie, wo ich jedoch das im EMG eigentlich nicht richtig verifizieren konnte. Also alleine vom EMG hätte man ihm jetzt keine Muskelerkrankung diagnostizieren können. Also es ist eine ergänzende Diagnostik, aber mit Sicherheit nicht beweisend. Wo man es eben verwendet, ist in der Erkennung von Myotonien, wie zum Beispiel der myotonen Dystrophie, wo man diese typischen myotonen Entladungsserien hat.

Kai Gruhn

Ich glaube, was man sich auch immer wieder vor Augen führen muss, ist einfach was man mit dem EMG für einen Radius in der Muskluatur untersucht, im Vergleich zu der Größe der Muskulatur.

Anne Güttsches

Man kann ja letztendlich nur einzelne Stellen untersuchen. Da man heute halt die kernspintomographischen Möglichkeiten hat, macht man einmal ein EMG, um vor allen Dingen nach myotonen Entladung oder auch nach neurogenen Veränderungen zu schauen und diese zumindestens differenzialdiagnostisch auszuschließen. Aber es jetzt nicht so, dass man bei einem Patienten jeden Muskel untersuchen müsste.

Kai Gruhn

Dann wollte ich dich gerne noch etwas fragen zum Thema Muskelbelastungstests und Laktat-Ischämie-Tests, also zu Muskelfunktionstests. Diese sind ja in der normalen neurologischen Routine eher nicht durchführbar. Kannst du noch was zu diesen Untersuchungen sagen? Welchen Stellenwert haben diese Untersuchungen? Bei welchen Erkrankungen im Bereich der Muskelerkrankungen brauche ich sie? Was sagen sie aus?

Anne Güttsches

Die Muskelbelastungstests werden bei uns auch regulär durchgeführt, um Muskelerkrankungen zu finden. Wobei man da auch sagen muss, dass man eigentlich nur sehr spezielle einzelne Muskelerkrankungen direkt durch so einen Test erkennen kann. Und zwar erkenne ich vor Allem Erkrankungen in dem Teilbereich der Muskelglykogenosen, also Stoffwechselstörungen, die dazu führen, dass sich Glykogen im Muskel ablagert. Und die anderen Erkrankungen, die ich erkennen kann, sind schwerwiegende angeborene Funktionsstörungen der Mitochondrien. Das heißt, man nimmt dem Patienten Blut ab zu bestimmten Zeitpunkten und lässt ihn bestimmte Muskelgruppen belasten. Dabei erzeugt der Patient entweder eine Muskelarbeit im Arm mit einem Ball in der Hand, den er zusammendrücken muss, oder er erzeugt eine Muskelarbeit in den Beinen, indem er auf einem Fahrradergometer fährt. Da gibt es standardisierte Werte, wie viel Muskelarbeit der Patient erzeugen muss. Es darf natürlich auch nicht zu anstrengend werden. Und dann wird dem Patienten Blut abgenommen zu verschiedenen Zeitpunkten. Das ist ein bisschen aufwendig, aber wenn der Test auffällig ist und verwertbar ist, liefert er schon einen guten Hinweis darauf, ob eine dieser wenigen Störungen vorliegt. Man muss aber sagen, dass es relativ selten ist, dass der Test auffällig ist. Aber es ist eben ein einfacher Test und deswegen wird er auch regelmäßig noch hier durchgeführt.

Kai Gruhn

Aber ich höre schon, so richtig Teil der Routine sind diese Tests eigentlich nicht. Erstens ist es ein hoher Aufwand und zweitens ist die Anzahl der Patienten, die dadurch herausgefiltert werden, wahrscheinlich klein.

Anne Güttsches

Ja, das kann man sagen. Also es ist jetzt nicht das erste, was wir mit einem Patienten in der Ambulanz machen. Also üblicherweise kommen die meisten Patienten ja über die Ambulanz zu uns. Da werden sie erstmal untersucht. Man schaut zuerst, in welche Richtung das alles überhaupt geht. Man macht noch ein EMG, wenn die Indikation dafür gegeben ist, also wenn, wie vorhin besprochen, der Verdacht auf eine Myotonie besteht. Aber wenn man einen Patienten aufnimmt zur weiteren muskulären Diagnostik, z.B. weil der CK-Wert erhöht ist oder weil Paresen da sind, dann machen wir die Muskelbelastungstests schon häufig mit, weil gerade die Glykogenosen, also ganz bestimmte Stoffwechselerkrankungen, eben auch Teil der differentialdiagnostischen Überlegungen sind. Aber es ist eben nur ein Test von mehreren und er wird jetzt auch nicht unbedingt bei jedem einzelnen Patienten gemacht, weil es einfach auch nicht bei jedem Patienten sinnvoll ist.

Kai Gruhn

Zu dem Thema: Gibt es zwei oder drei Erkrankungen, die man gehört haben sollte im Bereich Glykogenosen oder Mitochondropathien? Also gibt es da ein paar häufigere Erkrankungen?

Anne Güttsches

Also da wäre tatsächlich bei den Glykogenosen eine Erkrankung zu nennen, der Morbus Pompe. Eigentlich gar nicht mal, weil er so unbedingt häufig ist, sondern weil man ihn mittlerweile behandeln kann. Und damit ist es die erste Stoffwechselmyopathie, also die erste angeborene Muskelerkrankung, gewesen, für die ein Medikament bereitstand. Der Handelsname von diesem Medikament ist Myozyme. Deswegen ist es auch wichtig, diese Erkrankung frühzeitig zu erkennen. Da ist der Muskelbelastungstest so eine Möglichkeit, wir haben aber mittlerweile auch ein Schnelltest, also einen Trockenbluttest. Wenn also ein Patient kommt mit einem Verdacht auf einen Morbus Pompe, also auf eine Glykogenose Typ 2, so heißt die Erkrankung auch, dann würde man direkt diesen Trockenbluttest machen. Der Trockenbluttest ist dann doch spezifischer als der Muskelbelastungstest. Also das ist natürlich eine der Erkrankungen, die wir mit als erstes überprüfen, um den Patienten dann auch behandeln zu können, wenn die Erkrankung vorliegt. Die zweite Erkrankung, die hier zu nennen wäre, ist die Myopathie McArdle, das ist auch eine Glykogenose. Zu dieser Erkrankung gibt es mehrere Studien, dass da mit Ernährungsveränderungen etwas verbessert werden kann, aber hier handelt es sich doch eher um eine symptomatische Therapie. Aber eigentlich ist der Morbus Pompe, also eine Glykogenose Typ 2, schon das, wo man am ehesten mal dran denken sollte.

Kai Gruhn

Und im Bereich der Mitochondropathien, gibt es da auch häufigere Erkrankungen, die man vielleicht schonmal gehört haben sollte?

Anne Güttsches

Da wird es ein bisschen schwierig. Also dass man wirklich eine Mitochondropathie in einem Fahrradtest herausfindet, das ist sehr selten und dann auch eher ein Zufallsbefund. Woran man bei den Mitochondropathien vielleicht als erstes denken könnte, ist die sogenannte CPEO. Das ist eine Augenbewegungsstörung, die im Erwachsenenalter eine noch eher häufigere Erkrankung ist. Da müsste man jetzt wieder ein bisschen unterscheiden zwischen Kindern und Erwachsenen. Aber wir sprechen ja heute von Erwachsenen, also bleiben wir erstmal dabei. Bei der CPEO, also der chronisch externen Ophtalmoplegie, hat der Patient eine Augenmotilitätsstörung in alle Richtungen. Da ist eigentlich auch wieder, wie bei fast allen anderen Muskelerkrankungen auch, die Klinik wegweisend. Also man sollte eher über eine klinische Symptomatik daran denken, als über einen auffälligen Test.

Kai Gruhn

Ein Bereich, in dem ich dich unbedingt befragen wollte, weil du dich damit gut auskennst und weil du damit viel zu tun hast, ist der Bereich der Gendiagnostik, der ja immer mehr an Bedeutung gewinnt. Ich denke auch für den klinisch tätigen Neurologen ist das ein Thema, das einen schnell überfordert, weil man den Überblick verliert. Welche Bedeutung hat die Gendiagnostik hier bei euch in der Muskelsprechstunde? Wie sieht das praktisch aus, welche Möglichkeiten gibt es mittlerweile?

Anne Güttsches

Ja, das ist gut, dass du das ansprichst, weil es tatsächlich immer mehr an Bedeutung gewinnt. Und auch, weil die Gendiagnostik so langsam auch die Muskelbiopsie in der Bedeutung abzulösen scheint, zumindest gefühlt. Es ist halt so, dass man in den letzten Jahren immer mehr genetische Defekte identifizieren konnte, die zu bestimmten Muskelerkrankungen führen. Für einige genetische Veränderungen ist das schon ganz lange bekannt, aber es sind zuletzt eben auch neue Erkenntnisse hinzugekommen und auch neue methodische Möglichkeiten entwickelt worden, mit denen man Patienten untersuchen kann. Früher musste man noch Gen für Gen einzeln untersuchen. Da habe ich mir z.B. überlegt, dass die klinische Symptomatik vielleicht für eine FSHD sprechen könnte, dann habe ich die FSHD1 untersucht, habe dann ein Ergebnis bekommen und wenn das negativ war, dann habe ich bei dem nächsten Gen angefangen usw.. Und mittlerweile gibt es die Möglichkeit, mehrere Gene parallel zu untersuchen. Das geht leider methodisch bedingt nicht mit allen Genen, die man so kennt, aber man kann doch eine ganze Reihe von Genen in einer Reihenuntersuchung, einer sogenannten NGS Panel Diagnostik untersuchen. Dann hat man nach einer ganz aufwändigen Auswertung ein Ergebnis für zumindest die Muskelerkrankungen, die ein spezielles klinisches Bild machen können. Das geht jetzt einfach schneller als vorher, weil man eben mehrere Gene parallel untersuchen kann. Ich hüte mich ein bisschen davor, eine genetische Diagnostik zu machen, ohne eine Muskelbiopsie oder ohne eine sonstige Untersuchung vorher durchgeführt zu haben. Denn wenn man nur alleine eine Gendiagnostik macht, dann kann man schnell das Problem bekommen, dass man am Ende einen Gendefekt findet aber gar nichts dazu sagen kann, wie sehr genau dieser Gendefekt den Patienten beeinträchtigt. Also man sollte immer zumindest eine bildgebende Diagnostik, also einen Kernspinn haben und am besten eigentlich auch eine Muskelbiopsie, um das Ganze in Relation zu setzen. Man kann vielleicht bei einem Patienten mit einer DM1, die wirklich einen charakteristischen Phänotyp hat (wenn man das drei Mal gesehen hat, ist das eigentlich eine Blickdiagnose) auch ohne einen Muskelkernspin eine Gendiagnostik machen. Aber meistens ist es ja dann doch so, dass man bei Patienten sowohl proximale Paresen untersuchen kann, als auch Paresen in den Armen und vielleicht auch noch in den Beinen. Das eröffnet dann viele Möglichkeiten von genetischen Erkrankungen. Und dann ist es eigentlich auch immer gut, wenn ich noch einen Kernspin mache von der Muskulatur und auch eine Muskelbiopsie, um eine grobe Richtung festzulegen, in welche das genetisch geht. Denn sonst komme ich eventuell in die Situation, dass ich die Genetik nicht richtig einordnen kann. Trotzdem machen wir bei manchen Patienten, gerade wenn sie schon eine Muskelbiopsie hatten, bei der nichts rausgekommen ist, durchaus auch genetische Untersuchungen ohne vorher zu biopsieren.

Kai Gruhn

Jetzt wollte ich dich noch eine wichtige Sache zum Thema CK-Wert Erhöhung fragen. Das ist ja etwas, was wir häufig sehen: Patienten, die zu uns kommen, die möglicherweise noch nicht mal spezifische neuromuskuläre Beschwerden haben, aber eben eine CK-Wert Erhöhung. Was ist deine Meinung dazu? Wie gehst du vor, wenn du Patienten mit dem Laborzettel hast, die zu dir kommen? Wann muss man reagieren? Wann muss man weitere Diagnostik machen bei CK-Wert Erhöhungen?

Anne Güttsches

Ja, das halte ich auch für einen wichtigen Punkt, weil die CK doch eine sehr gute Auskunft darüber gibt, inwieweit Muskulatur geschädigt ist oder eben nicht. Prinzipiell kann man sich merken, dass ein CK-Wert, der mindestens das 4-5 fache der Norm übersteigt, schon in den meisten Fällen für eine Muskelerkrankung spricht. Also das wäre so bei einer CK im Bereich von 500, 600, 1000 oder 2000 U/l der Fall. Ein CK-Wert, der so um die 200 oder 300 liegt, kann auch oft aus anderer Ursache erhöht sein. Generell ist auch der CK-Wert beim Gesunden mal erhöht, nämlich immer dann, wenn man sich sportlich vorher betätigt hat. Das heißt, ganz wichtig: Wenn man als Hausarzt oder als niedergelassener Arzt einen CK-Wert misst, aus welchen Gründen auch immer, und er ist erhöht, sollte man den Patienten fragen, ob er sich vorher belastet hat. War das der Fall, würde ich den CK-Wert auf jeden Fall nochmal nach körperlicher Ruhe wiederholen, dann erübrigen sich viele CK-Wert Erhöhungen auch schon von selbst. Ist der CK-Wert dann aber auch noch nach körperlicher Ruhe erhöht und dann eben auch in einem hohen Bereich, also wie gesagt über 500-600, kann das schon mal eher in Richtung Muskelerkrankungen gehen. Dann kommt es natürlich sehr stark darauf an, was der Patient berichtet. Wenn er erzählt, dass er eine Schwäche in den Beinen hat, oder wenn er möglicherweise belastungsabhängig eine Schwäche oder auch Myalgien angibt, dann ist das natürlich etwas anderes, als wenn ein Patient völlig beschwerdefrei ist. Es gibt nämlich auch die Möglichkeit, dass der CK-Wert laborseitig falsch erhöht gemessen wird. Das wäre bei der so genannten Makro-CK der Fall. Insbesondere Patienten, die einen hohen CK-Wert und wirklich überhaupt keine muskulären Beschwerden haben, können durchaus so eine Veränderung haben. Die Makro-CK ist keine wirkliche Muskelkrankheit, sondern dabei handelt es sich eigentlich nur um eine andere Isoform des CK-Enzyms. Die CK sieht bei diesem Patienten einfach anders aus und wird durch die üblichen Labortests nicht richtig erkannt. Und dadurch werden die Werte falsch hoch gemessen. Da ist meistens auch der MB-Anteil erhöht, ohne dass der Patient irgendwelche kardialen Beschwerden hat. Wenn ich das aber ausgeschlossen habe, also wenn ich eine CK-Wert Erhöhung auf 1000 U/l sehe, die CK-MB aber normal ist und der Patient berichtet, dass er auch nicht mehr so gut aus der Hocke aufstehen kann, dann wäre das so eine typische Konstellation, wie sie in der Muskelsprechstunde vorkommt und wo man weiter Diagnostik machen muss. Bei CK-Werten, die niedriger sind, gibt es noch eine andere Erkrankung, die wir auch häufiger sehen, nämlich Polyneuropathien oder primär neuropathische Veränderungen, die durchaus auch hereditärer Ursache sein können. Diese Patienten haben auch gerne mal eine CK-Wert Erhöhung so um 200-300U/l. Das ist tatsächlich auch häufig ein Vorstellungsgrund. Z.B: „Der Patient hat eine CK von 300 U/l und irgendwie so komisch taube Füße“- da würde ich jetzt nicht an eine Muskelerkrankung denken, sondern dann würde man das im Rahmen der Polyneuropathie einordnen. Eine Muskelerkrankung mit einem normalen CK-Wert ist extrem selten. Das kann mal bei Kindern vorkommen. Also gerade Kinder mit Entwicklungsverzögerung oder mit mit Paresen, die eine normale CK haben, können bei bestimmten Auffälligkeiten durchaus auch eine Myopathie haben. Auch wir haben einzelne Patienten mit solchen Störungen, aber eigentlich macht ein normaler CK-Wert eine Muskelerkrankung extrem unwahrscheinlich. Also das sind dann wirklich Einzelfälle.

Kai Gruhn

Ich bin einmal in meinem eigenen klinischen Alltag auf einen Patienten „hereingefallen“. Das war ein schwarzafrikanischer Patient, der auch so CK-Werte um 300-400 U/l hatte. Und da habe ich im Nachhinein nachgelesen, dass schwarzafrikanische Menschen häufig höhere CK-Werte haben aufgrund der Ausstattung der Muskulatur. Jetzt hat das Interview schon sehr lange gedauert und du hast sehr viele wichtige und interessante Sachen erzählt. Deswegen die nächste Frage jetzt kurz und knapp und vielleicht auch deine Antwort. Was auch häufig vorkommt, sind Statin-induzierte CK-Wert Erhöhung oder Statin-induzierte Myopathien. Kannst du kurz was dazu sagen?

Anne Güttsches

Ja, das ist in der Tat eine beschriebene unerwünschte Arzneimittelwirkung bei Statinen. In den allermeisten Fällen ist es so, dass wenn ein Patient Beschwerden hat unter Statineinnahme, also wenn der CK-Wert hochgeht und sich Myalgien entwickeln, das sich die Beschwerden wieder zurückbilden, wenn man das Statin beendet. Zurückbilden heißt nicht, dass die Beschwerden nach drei Tagen wieder weg sind, das kann durchaus auch mal ein paar Monate dauern. Es gibt aber auch hier einzelne Patienten, insbesondere wenn sie schon genetische Veränderungen mitbringen, bei denen sich so eine Muskelerkrankung auch mal dadurch zeigen kann. Ich hatte jetzt jüngst einen Patienten, der bei uns biopsiert worden ist. Der Patient hatte für vier Wochen Statine eingenommen und hat dann über Muskelschmerzen geklagt. Daraufhin hat der Niedergelassene den CK-Wert abgenommen. Weil der Wert deutlich erhöht war, so um 700-800 U/l, hat der Niedergelassene den Patienten zu uns geschickt. Und wir haben dann in der Muskelbiopsie festgestellt, dass der Patient eine erbliche Muskelerkrankung hat, wahrscheinlich sogar eine Muskelglykogenose, die bis dahin noch nicht aufgefallen ist und sich erst dadurch gezeigt hat, dass der Patient Statine eingenommen hat. Das ist in der Ausprägung mit Sicherheit nicht häufig, aber die Konstellation aus Statineinnahme, einem erhöhtem CK-Wert und Myalgien kommt regelmäßig vor. Und da währe die erste Empfehlung, die Statine zu beenden. Man sollte dann auch keine alternativen anderen Statine geben, weil die letztendlich alle zu einer Myopathie führen können. In dem Fall wäre eine Medikation mit Ezetemib zu empfehlen, weil das prinzipiell auch in der Behandlung bei Patienten eingesetzt werden kann, die eine Myopathie haben und Cholesterinsenker einnehmen müssen.

Kai Gruhn

Perfekt. Ich merke, wir müssen auf jeden Fall noch eine zweite Folge machen, weil es einfach so viele Themen gibt, die eigentlich mehr besprochen werden müssten und die interessant sind. Bis hierhin schon mal vielen, vielen Dank, liebe Anne. Und jetzt noch eine letzte Frage: Gibt es für Leute, die sich mit Muskelerkrankung ein bisschen auseinandersetzen wollen, von deiner Seite eine Literaturempfehlung?

Anne Güttsches

Ja, das gibt es in jedem Falle. Das ist ja auch ein sehr umfangreiches Thema. Wenn Sie da noch weiter nachlesen möchten, gibt es ein Buch, was im Thieme-Verlag erschienen ist. Es heißt „Muskelerkrankungen“ und ist von Stephan Zierz verfasst worden. Da gibt es jetzt auch eine neue Auflage. Das kann man zum Nachlesen in jedem Fall empfehlen.

Kai Gruhn

Ja dann nochmal vielen Dank, Anne. Vielen Dank auch an Sie fürs Zuhören und ich hoffe, es waren interessante und auch klinisch relevante Informationen für Sie dabei. Bis zum nächsten Mal.

Ende

Vielen Dank, dass du heute wieder zugehört hast und unser Gast gewesen bist. Wir hoffen sehr, dass dir dieser Beitrag gefallen hat und du etwas für deinen klinischen Alltag mitnehmen konntest. Wenn dem so sein sollte, dann wie immer gerne der Aufruf: Teile doch diesen Podcast mit deinen Kolleginnen und Kollegen, damit auch andere davon profitieren können. Und du darfst uns natürlich auch eine positive Bewertung bei Apple Podcasts hinterlassen. Wenn du mal Lust hast mitzumachen, denn wir verstehen uns ja als eine offene Fortbildungsplattform, dann bist du ganz herzlich eingeladen, dich zu melden unter kontakt@klinisch-relevant.de. Vielleicht gibt es ja ein Thema, das du ganz spannend findest und wo du dich besonders gut auskennst. Und dann würden wir sehr gerne mit dir sprechen. An dieser Stelle noch der Hinweis auf unsere Social-Media Kanäle und unseren Newsletter auf www.klinisch-relevant.de. Und es gibt wieder neue Kurse auf unserer Fortbildungsplattform. Das Ganze ist natürlich nicht nur für Ärzte, sondern auch für Physiotherapeuten, für Pflegende Ergotherapeuten und für Logopäden konzipiert. Beachte auch, dass du einen 5 € Gutschein bekommst, wenn du dich in unsere Email Liste für Newsletter einträgst. Dann kannst du mit diesem Gutschein in der Fortbildungsakademie einkaufen. Denn da gibt es viele spannende Beiträge. Schau dich doch einfach mal dort um. Also ich wünsche dir jetzt eine gute Zeit und freue mich schon, wenn du beim nächsten Mal wieder einschaltest. Pass auf dich auf, bleib gesund. Bis zum nächsten Mal. Ciao.

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